Tipps für erfolgreichen Branchenwechsel

In diversen Branchen kriselt es derzeit. Was ist jetzt der richtige Schachzug?

Wo in den vergangenen Jahren noch „händeringend“ Personal gesucht wurde, heißt es nun plötzlich: Einstellungsbremse! „Wenn man sich den Arbeitsmarkt aktuell anschaut, könnte man denken, wir haben gar keinen Fachkräftemangel – obwohl wir tatsächlich einen haben“, sagt Anna Lüttgen, Director Talent Delivery beim Personalvermittler Hays.

Viele Unternehmen würden die Investitionen in Mitarbeitende derzeit hintanstellen. „Das betrifft einige Branchen sehr konkret, zuvorderst die gesamte Automotive-Industrie, Hersteller wie Zulieferer“, so Lüttgen. Jüngst hat etwa VW angekündigt, Jobs abbauen zu wollen. Aber auch Maschinenbau und Handel sind laut Lüttgen Sektoren, die vom Nachfragerückgang betroffen sind. Gleichzeitig gebe es Branchen, die hohen Fachkräftebedarf haben und weiter einstellen – der Energiesektor etwa oder die Pharma- und Gesundheitsindustrie.

Wer nun in einer kriselnden Branche beschäftigt ist oder dort gerade auf Stellensuche ist, muss sich auch mit der Frage auseinandersetzen: Ist das noch der richtige Sektor für mich? Wer den Sprung wagt, braucht aber die richtige Herangehensweise. So gehen Sie am besten vor.

Persönlichen Entwicklungsplan reflektieren

Bei einem Branchenwechsel gehe es, anders als bei einem Quereinstieg, nicht darum, den Karriereweg komplett zu verändern, sagt Lüttgen. Häufig betreffe das Thema Beschäftigte zwischen 35 und 45, die im Berufsleben bereits etwas erreicht haben.

Sie rät, sich in einer solchen Situation mit der eigenen Karriereplanung zu beschäftigen: Wie verläuft meine Karriere? Wie sieht mein persönlicher Entwicklungsplan aus? Es gehe darum, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen, was man kann und was man mitbringt.

Für Gerhard Helm, Business-Coach aus München, schließen sich die Fragen „Bleibe ich in der Branche?“ und „Ändere ich die Branche?“ nicht gegenseitig aus. Er rät ganz pragmatisch abzuwägen: „Wenn ein Branchenwechsel eine Option ist, ich aber auch offen dafür bin, in der Branche zu verbleiben, kann ich gucken, wo die besseren Angebote herkommen.“

Schnittmengen identifizieren - und in Weiterbildung investieren

Ein Wechsel gelinge am besten, wenn man in eine „artverwandte Branche“ switcht, so Lüttgen. Fachkräfte aus der Automobilindustrie etwa können sich überlegen, welche andere Industrie spannend wäre und den eigenen Karrierezielen entgegenkommt. 

Hat man sich zum Beispiel bislang mit den Abläufen in der Qualitätssicherung bei einem Autozulieferer beschäftigt, sollte man prüfen: Welche Industrien haben ähnliche Prozesse? Wo werden Zertifikate und Weiterbildungen, die man erworben hat, womöglich ebenfalls anerkannt? Welche Kenntnisse kann man eins zu eins in die neue Branche mitnehmen? Inwiefern würde der neue Arbeitgeber von diesen Kenntnissen profitieren? Gerhard Helm zufolge ist die zentrale Frage: Wie kann ich das Know-how, das ich aktuell habe, für eine andere Position umdefinieren?

Anna Lüttgen empfiehlt, in einem nächsten Schritt zu identifizieren, wie groß die Schnittmenge der Branchen ist und welche Lücken man als Bewerberin oder Bewerber mit Investitionen in die eigene Weiterbildung füllen muss.

Erster Anlaufpunkt kann ein berufliches Netzwerk wie Linkedin oder Xing sein. Dort lassen sich Profile und Werdegänge ebenso wie Ausschreibungen von Arbeitgebern analysieren. Mithilfe der Infos können Bewerberinnen und Bewerber ausloten, was wo gefragt ist. „Dann sehe ich auch: Wo könnte ich selbst skillmäßig noch mal draufschauen und mir entsprechende Learning-Programme suchen“, so Lüttgen.

Erfolgreicher Branchenwechsel: ehrlicher Umgang mit Fähigkeiten

Geht es konkret um Bewerbungen, rät Lüttgen, sich nicht zu speziell zu verkaufen – sondern stärker auf die Skills zu setzen, die sich auf die Wunschbranche übertragen lassen. Für einen Ingenieur bedeutet das etwa, sich nicht zu stark über das Fachwissen zu definieren – sondern eher herauszustellen, welche Erfahrungen man zum Beispiel im Projektmanagement mitbringt. Unbedingt vermeiden sollten Bewerberinnen und Bewerber die Phrase „Ich kann mich in alles einarbeiten“. „Das glaubt einem kein Mensch“, sagt Lüttgen. „Ein gewisser Connect muss schon da sein.“

Ist der Branchenwechsel einer betriebsbedingten Kündigung geschuldet, muss man das nicht verstecken. „Es ist immer leichter, ehrlich zu sein“, sagt Business-Coach Helm. Im Bewerbungsprozess lässt sich das etwa so in Worte packen: „Die Branche, aus der ich komme, entwickelt sich aktuell nicht gut, ich möchte mich breiter aufstellen.“ Wer Bereitschaft zeige, sich weiterzuentwickeln, habe gute Chancen. Häufig lohne es sich, für die Weiterentwicklung „hippe“ Themen auszusuchen, etwa Künstliche Intelligenz, Digitalisierung oder Nachhaltigkeit.

Finden Fachkräfte eine Stelle in einer neuen Branche, ist das häufig ein Sprung ins kalte Wasser – vieles ist neu, vieles ist unbekannt. Auch wenn Beschäftigte ihre berufliche Komfortzone damit vorerst verlassen, sollten sie die Herausforderung mit einer positiven Haltung angehen, so Personalexpertin Lüttgen: „Man sollte sich bewusst machen, dass es jetzt in eine neue Richtung geht, dass man eine spannende Lernerfahrung macht und das auch für sich selbst tut.“  

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