Was Arbeitgeber-Bewertungen im Netz bringen
Mit Sternen und Kommentaren bewerten Beschäftigte auf Plattformen ihre Arbeitgeber. Aber wie geht man mit den Informationen um? Von einer Bewerbung muss man sich jedenfalls nicht abbringen lassen.
Spannende Aufgaben, flache Hierarchien und gute Weiterbildungsmöglichkeiten: Die Stellenanzeige klingt erstmal gut, doch vom Unternehmen hat man noch nie gehört. Eine Recherche im Netz führt Bewerberinnen und Bewerber dann oft zu Online-Portalen, auf denen Beschäftigte ihre Arbeitgeber bewerten können. Sterne, Punkte oder Kommentare sollen dann helfen, sich einen Eindruck vom Unternehmen zu verschaffen. Aber ist das überhaupt hilfreich?
„Für einen ersten Eindruck in jedem Fall“, sagt Ute Gietzen-Wieland, Business-Coach in Bielefeld. Aber Bewerber sollten nicht ein einziges Portal als Informationsquelle nutzen, sondern mehrere – und die Ergebnisse miteinander vergleichen.
„Aufschlussreich ist auch, ob und auf welche Weise Unternehmen auf Lob oder auch auf Kritik reagieren“, erklärt Anati Olzinger, Expertin für digitales Netzwerken bei der Outplacement- und Karriereberatung von Rundstedt.
Beschwert sich etwa jemand in einem Portal anonym, dass es im Unternehmen unfair zugehe und er lieber heute als morgen kündigen würde, sei es ein gutes Zeichen, wenn das Unternehmen darauf reagiert und sinngemäß sagt: Melden Sie sich doch bitte bei Ihrem Vorgesetzten, damit wir gemeinsam zu einer Lösung kommen können.
Nur eine persönliche Meinung
Ein Arbeitgeber, der sich nicht um Bewertungen kümmert, könnte das Signal aussenden, dass ihm das Wohl seiner Beschäftigten nicht wirklich am Herzen liegt. Was nicht zuletzt in Zeiten von Fachkräftemangel eine abschreckende Wirkung auf Bewerberinnen und Bewerber haben könnte. „Einem Bewerber muss aber auch klar sein, dass die Bewertung eines Arbeitgebers durch einen Beschäftigten immer eine persönliche Meinung ist, mehr nicht“, sagt Anati Olzinger.
Ute Gietzen-Wieland plädiert ebenso dafür, die Kommentare und Bewertungen mit Vorsicht zu genießen. Dabei ist es egal, ob sie schlecht oder euphorisch sind. Möglich sei, dass jemand das vermeintlich schlechte Miteinander thematisiere, um einem Arbeitgeber zu schaden. Umgekehrt sei aber auch denkbar, dass auf einem Bewertungsportal ein Unternehmen in den Himmel gehoben wird.
„Letztendlich sind Bewertungsportale nicht mehr als ein Puzzleteilchen, um sich ein Bild von einer Firma zu machen“, so Gietzen-Wieland. Das Bild müsse ein Bewerber durch weitere Recherchen ergänzen – etwa ein Blick auf die Webseite oder das direkte Befragen von Mitarbeitenden.
Aussagen kritisch hinterfragen
Auch sollte jeder für sich einzelne Aussagen auf den Prüfstand stellen, rät Expertin Anati Olzinger. Sie nennt ein Beispiel: Da postet jemand über ein Unternehmen „chaotische Zustände“. Das klingt zunächst einmal negativ. „Aber es gibt auch Leute, die gerade mit Chaos äußerst gut leben können und in einer solchen Umgebung zur Höchstform auflaufen.“
Häufen sich auf einem oder mehreren Portalen negative Kommentare über einen Arbeitgeber, könnten Bewerber das bei einem Vorstellungsgespräch freundlich ansprechen. „Damit zeigen sie den Personalverantwortlichen, dass sie sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt haben, was ein Pluspunkt sein kann.“
Eine Häufung von negativen Kommentaren sollte Stellensuchende jedenfalls nicht gleich dazu verleiten, sich nicht bei dem jeweiligen Unternehmen zu bewerben, sagt Ute Gietzen-Wieland. Kommt es zum Vorstellungsgespräch, achtet man am besten darauf, ob sich kritische Punkte womöglich bestätigen. „Das kann für einen selbst eine interessante Erfahrung sein und man kann danach auf Basis des eigenen Eindrucks entscheiden, ob man die Bewerbung weiterverfolgen möchte“, sagt Gietzen-Wieland.
Ein weiterer Pluspunkt: Man gehe die Sache gelassener an, wenn man wegen der negativen Kommentare erst einmal gar nicht so „Feuer und Flamme“ für die Firma ist. Im Zweifelsfall war dann das Vorstellungsgespräch ein gutes Üben von Bewerbungssituationen.
Häufig kommt in Bewertungsportalen über Arbeitgeber der Gehaltsaspekt zur Sprache. Da ist beispielsweise „von mieser Bezahlung“ die Rede oder davon, dass „(großartige) Leistungen in keinem Verhältnis zum (schlechten) Gehalt“ stünden. Anati Olzinger hält solche Kommentare „durchaus für glaubhaft, sofern sie anonym sind.“ Wer ohne Namen dazu Angaben mache, habe eigentlich keinen Grund zu lügen.
Gietzen-Wieland empfiehlt indes, Gehaltskommentare skeptisch zu betrachten – sie seien mit Blick auf den eigenen Job wenig aussagekräftig. „Letztendlich vereinbaren Arbeitgeber und Beschäftigte Gehälter meist individuell je nach Qualifikation, sie sind also Verhandlungssache.“
dpa