Selbst Unternehmen und Institutionen, die sich eine vielfältige Belegschaft wünschen, wissen oft nicht, wie sie dieses Ziel erreichen können. Was bringen dann Diversity-Beratungen oder Trainings?
Berlin/Nürnberg (dpa/tmn) – Es ist eine typische Situation: Eine neue Mitarbeiterin wird eingestellt, die in den Augen von Kollegen nicht „typisch deutsch“ aussieht. Prompt kommt die Frage: „Wo kommst du her?“ Wenn die Antwort nicht befriedigt, wird hinterhergeschoben: „Aber wo kommst du wirklich her?“
„Solche Fragen kränken, denn sie implizieren ein Nicht-Dazugehören“, sagt Diversity-Trainerin Sabine Rotte. Die Sozialpädagogin hat beim Berliner Verein „Eine Welt der Vielfalt“ eine Diversity-Ausbildung absolviert und arbeitet seit fast 20 Jahren als Trainerin und Coach.
In der Gesellschaft verankerte rassistische Strukturen und Diskriminierungsmuster finden sich auch in beruflichen Kontexten wieder, erklärt sie. Eine Möglichkeit, Diskriminierungen am Arbeitsplatz entgegenzuwirken, sind Diversity-Trainings für Mitarbeitende und Führungspersonal.
Verschiedene Auslöser für Diversity-Trainings
Ziel sei es, Diskriminierungen zu verhindern. Unternehmen gehe es außerdem darum, die Vielfalt ihrer Mitarbeitenden wertzuschätzen und positiv zu nutzen.
Auslöser, Diversity-Prozesse anzustoßen, gibt es viele. Manchen Arbeitgebern fällt auf, dass sich nur bestimmte Gruppen von Menschen bei ihnen bewerben. „Manche merken auch: Wir haben eine vielfältige Belegschaft, aber das spiegelt sich nicht in der Führungsetage wieder“, sagt der Diversity-Berater und -Trainer Serdar Yazar, der unter anderem für den Verein BQN Berlin arbeitet.
Manche Unternehmen stellen fest, dass sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen nur bestimmte Zielgruppen ansprechen. Die Außendarstellung spielt dabei eine wichtige Rolle: Wird auf der Webseite des Unternehmens gesellschaftliche Vielfalt abgebildet? Auch konkrete Vorfälle wie rassistische Übergriffe können ausschlaggebend sein, sich mit internen Strukturen auseinanderzusetzen.
Viele Führungsetagen müssen erst überzeugt werden
Eine weitere Motivation sei, die Potenziale der eigenen Belegschaft besser nutzen zu wollen, sagt Ulrich F. Schübel, Leiter des Instituts für Diversity Management in Nürnberg. Obwohl das Bewusstsein für die Bedeutung von Diversität wachse, müssten viele Führungsetagen noch von dem Konzept überzeugt werden. Die Vorteile liegen nicht für alle auf der Hand.
Sexismus und Rassismus stehen häufig im Fokus der Aufmerksamkeit, aber Diversity umfasst weitere Bereiche. Menschen werden wegen ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund unterschiedlicher geistiger und körperlicher Fähigkeiten diskriminiert. Jeder Mensch könne Ziel werden, betont Yazar.
Ein wichtiger Bestandteil von Diversity-Prozessen ist deshalb die Sensibilisierung. „Wir setzen dabei auf erfahrungsbasiertes Lernen“, erzählt Schübel. Über sein Institut können Unternehmen beispielsweise einen „DiversityParcours“ mieten. Dabei handelt es sich um eine Art Wanderausstellung, an der Mitarbeitende unterschiedliche Stationen durchlaufen können. Indem man etwa merkt, wie vielen Gruppen man selbst angehört oder zu welchen man von anderen zugeordnet wird, lernt man die eigene Vielfalt zu erkennen.
Der Parcours soll dazu beitragen, eigene Vorstellungen zu hinterfragen, Schubladendenken aufzubrechen und das Verständnis für andere zu fördern.
Richtig und Falsch gibt es nicht
Sabine Rotte findet bei ihren Trainings besonders das Prinzip der Freiwilligkeit wichtig. Niemand könne gezwungen werden, sich auf bestimmte Übungen einzulassen. Schwierig werde es, wenn sich Teilnehmende fühlen, als würden sie mit dem Training für etwas bestraft. Es gehe bei selbstreflexivem Lernen darum, sich der eigenen Automatismen bewusst zu werden. Richtig und Falsch gäbe es nicht.
Ein Baustein sei häufig auch das Thema Sprache, sagt Serdar Yazar: Was ist an bestimmten Bezeichnungen diskriminierend? Welche versteckten Botschaften transportiert man? Wie kann man es anders oder besser machen? Teilnehmende sollen sich über ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung bewusst werden.
Häufig würden die Trainings zu Erstaunen, einem großen Erkenntnisgewinn und Dankbarkeit führen, sagt Rotte. „Die meisten Menschen wollen nicht bewusst diskriminieren“, so ihre Erfahrung. Prinzipiell ist es entscheidend, im gesamten Unternehmen eine Diversity-Kultur zu etablieren. Dafür könne Diversity-Kompetenz in Stellenprofile integriert werden. Auch könne man Mitarbeitende Diversity-Leitlinien unterzeichnen lassen. „Das ist eine starke Botschaft, aber kostet nichts“, so Yazar.
Von Inga Dreyer, dpa