Wollen Sie Kinder? Sind Sie in der Gewerkschaft? Wo kommen Sie her? Es gibt Fragen, die in Vorstellungsgesprächen unzulässig sind. Trotzdem werden sie gestellt. Wie sollte man reagieren?
Essen/Gütersloh (dpa/tmn) – Das Bewerbungsgespräch lief so gut, dass Jasamin Ulfat-Seddiqzai dachte, sie bekäme den Job. Dann aber wurde sie zu einem zweiten Gespräch eingeladen – dieses Mal mit dem Chef persönlich. „Er hat mir dann gesagt, er müsse mein Kopftuch thematisieren.“
Die Germanistin und Anglistin unterrichtet an der Universität Duisburg-Essen. Damals sei es um einen Studentenjob in einer Sprachschule gegangen, erzählt sie. „Im Vorstellungsgespräch hat mich mein Chef gefragt, ob ich bereit wäre, das Kopftuch abzusetzen.“ Sie habe wahrheitsgemäß geantwortet, sie könne sich das vorstellen, wenn der Job es erfordere.
Ulfat-Seddiqzai hat häufig erlebt, dass es in Bewerbungsverfahren um ihren Glauben oder um ihren Migrationshintergrund ging. Das seien private Themen, die für die Entscheidung des Arbeitgebers keine Rolle spielen dürfen, betont Evelyn Räder, Arbeitsrechtsexpertin bei der Gewerkschaft Verdi. „Ob ich einen Migrationshintergrund habe oder die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, muss dem Arbeitgeber egal sein.“
Private Infos sind tabu – sofern sie nichts mit dem Job zu tun haben
Allerdings gebe es eine Ausnahme: Bei Zugewanderten müssten sich Arbeitgeber versichern, dass diese in Deutschland arbeiten dürfen. Generell gilt aber: Fragen nach privaten Informationen sind so lange tabu, wie sie nichts mit der Ausübung des Jobs zu tun haben.
„Es muss ein billigenswertes, berechtigtes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers bestehen“, sagt Räder. Wenn sich jemand beispielsweise als Lehrkraft für ein bestimmtes religiöses Bekenntnis bewirbt, dürfe auch nach der Religionszugehörigkeit gefragt werden, erklärt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein.
Bewerberinnen und Bewerber befinden sich häufig in einem Konflikt: Einerseits möchten sie ein Vertrauensverhältnis schaffen, andererseits nicht zu viel von sich preisgeben. „Deswegen hilft die Rechtsprechung aus dieser Zwickmühle“, sagt Räder. Das bedeutet: Bei unzulässigen Fragen darf man die Unwahrheit sagen.
Notlüge kann bei unzulässigen Fragen helfen
Eine andere Möglichkeit ist, auf die Unzulässigkeit einer Frage hinzuweisen. Der Arbeitgeber werde sich dann aber womöglich seinen eigenen Reim darauf machen, sagt Schipp. „Es kann sein, dass es unter Umständen klüger ist, zur Notlüge zu greifen.“
Ein klassisches Beispiel für unzulässige Fragen sind die Themen Familienplanung und Schwangerschaft. Ob jemand Kinder bekommen möchte, habe nichts mit der Qualifikation für eine Stelle zu tun, betont Räder. „Ich würde auch niemandem raten, von sich aus darüber zu sprechen, denn das gehört nicht in ein Bewerbungsgespräch.“
Unzulässig sind Fragen nach Krankheiten oder Vorstrafen
Bei der Frage nach dem Kopftuch hat Ulfat-Seddiqzai wahrheitsgemäß geantwortet. Laut Schipp hätte sie jedoch sagen können, was sie möchte. In ihrem Fall ging es um zukünftiges Verhalten, erklärt er. Der Arbeitgeber habe später nicht das Recht, Absichtserklärungen einzufordern. Der Anwalt sieht auch keinen Grund, warum es im Büro einer Sprachschule ein Kopftuchverbot geben solle. „Hier ist es relativ klar: Das geht den Arbeitgeber nichts an.“
Auch Fragen nach Krankheiten, Suchtproblemen oder Behinderungen dürfen normalerweise nicht gestellt werden, sagt Schipp. Als Ausnahme gilt, wenn ein bestimmter Job dadurch nicht ausgeübt werden kann. Gleiches gilt für Vorstrafen: Ansprechen müssen Bewerber und Bewerberinnen sie nur, wenn für die Arbeitsstelle wichtig sind.
Bewerber haben auch eine Offenbarungspflicht
Auch nach einer Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit dürfe der Arbeitgeber nicht fragen – außer man bewirbt sich etwa bei einer politischen Organisation. Bei bestimmten Themen kann es laut Schipp aber eine Offenbarungspflicht geben. Die gelte für Eigenschaften, die für die Tätigkeit von ausschlaggebender Bedeutung sind: Wer sich als Fahrer bewirbt, aber keinen Führerschein hat, muss das offenlegen.
Wer im Bewerbungsprozess ohne sachlichen Grund ungleich behandelt wurde, kann nach Paragraf 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) Schadensersatzanspruch geltend machen, erklärt Rechtsexpertin Räder. Die Schwierigkeit bestehe jedoch darin, eine Benachteiligung zu beweisen. „Daran scheitern die Klagen nicht selten“, so Schipp.
Von Inga Dreyer, dpa